Integrative Therapie bei Achillessehnenbeschwerden

von Dr. Rupert Lebmeier

Achillessehnenbeschwerden sind komplex, aber behandelbar!

Eine Achillessehnenreizung oder allgemein Achillessehnenbeschwerden sind keine Seltenheit in meiner Praxis. Meist kommen Patienten, die schon eine Therapeuten- Odyssee hinter sich haben. Dabei wurde dies oder jenes versucht, die Beschwerden blieben. Wenn Sie dies selbst einmal durchgemacht haben, dann wissen Sie, dass diese Schmerzen eine sehr behindernde Angelegenheit sein können.

Mit diesem Artikel möchte ich an Hand eines Patientenbeispiels über eine mögliche multimodale Therapie berichten:

  • Der Patient muss sich nicht mit Achillessehnenbeschwerden abfinden! Man kann etwas dagegen tun. Das sollte der Patient wissen. Vor allem muss er über die Ursache in seinem speziellen Fall aufgeklärt werden. Hierzu bedarf es einer gründlichen Untersuchung.
  • Wenn Achillessehnenbeschwerden nur monoman behandelt werden, neigen sie meistens zur Chronizität – es sollten also immer mehrere „Werkzeuge“ bei der Behandlung zum Einsatz kommen!

Vorerst widmen wir uns aber kurz der Anatomie der Achillessehne.

Anatomie der Achillessehne

Die Achillessehne ist die stärkste Sehne des menschlichen Körpers und sie ist recht gut dehnbar.

Wenn man eine Faszie oder Sehne schnell dehnt, reißt sie. Dies ist die häufigste Form von Bindegewebsverletzungen. Wird die Dehnung langsam durchgeführt, kommt es zu einer plastischen Deformation.

Thomas M. Myers6 hat in seinen Untersuchungen gezeigt, dass sich beim menschlichen Gehen und Laufen der Musculus triceps surae, das heißt der oberflächige Wadenmuskel, bestehend aus dem Musculus soleus (=Schollenmuskel des Unterschenkels) und dem Musculus gastrocnemius (=Zwillingswadenmuskel) im Grunde isometrisch kontrahiert, während sich die Sehnen zyklisch dehnen und verkürzen.

Die Achillessehne wird teilweise übermäßig beansprucht.
Übermäßiges Trainingsvolumen oder zu intensives Training, das die elastische Funktion der Sehnen betrifft, kann auch zu einer Überlastung der Achillessehne führen.

Die Achillessehne setzt nicht einfach an der Ferse an oder hört dort auf. Im Lehrbuch von Myers6 sieht man deutlich, drei myofasciale Strukturen speisen die Achillessehne: der M. soleus, sowie der M. gastrocnemius von der oberflächlichen Seite und der M. plantaris in der Mitte. Dabei umgibt der Periost wie eine feste Plastikhülle den Knochen, denn sie muss einer starken Spannung standhalten. Dazu ist sie mit dem kollagenen Netzwerk des Fersenknochens verbunden, vergleichbar mit den Wurzeln eines Baumes in der Erde.

Ursachen von Achillessehnenbeschwerden

Die Achillessehne ist häufig von Tendinopathie betroffen. Diese nicht entzündliche Sehnenerkrankung können Sport-, Freizeit- und Alltagsaktivitäten erheblich beeinträchtigen. Unter Achillodynie versteht man ein schmerzhaftes Syndrom mit tastbarer Verdickung der Achillessehne etwa 2-8 cm oberhalb des Ansatzes am Calcaneus.

  • Dabei wird als Ursache meist eine Überbeanspruchung gesehen, einerseits durch Langzeitbelastung oder auch akut bei ungewohnter Bewegung.
  • Übermäßiges Trainingsvolumen oder zu intensives Training, das die elastische Funktion der Sehnen betrifft, kann auch zu einer Überlastung der Achillessehne führen. Wiederholtes Training in Kombination mit zu kurzen Ruhezeiten führt zu einer Verschlechterung der Matrix7 und daraus resultieren dann auch Achillessehnenbeschwerden.

Weitere Ursachen für Achillessehnenbeschwerden sind:

  • Mechanische Störungen z.B. Fußgelenksarthrosen, Fußdeformitäten (Knick-Senk-Spreizfuß), Hallux rigidus.
  • Beckenfehlstellung mit faszialer Dysfunktion und Myotendopathie.
  • Entzündliche Ursachen wie: chron. bakterielle Chlamydien, Borrelien, seltener Yersinia
  • Erhöhte Bradykinin- Aktivität bei Dysbiosen

Langwieriger Fall von Achillessehnenbeschwerden aus meiner Praxis

Aufgrund des Patientenfalles aus meiner Praxis möchte ich erläutern, wie ich Achillessehnenbeschwerden jetzt grundsätzlich betrachte und welche „Tools“ in meiner Praxis für Integrative Medizin zur Anwendung kommen.

Allerdings kamen in diesem Fall nicht alle davon zur Anwendung. Im Anhang werde ich die Möglichkeiten kritisch vervollständigen.

Fallbeispiel: 49jähriger Gymnasiallehrer klagt über Achillessehnenbeschwerden rechts und links. Er hat bereits eine Ärzte-Odyssee hinter sich: Physiotherapie, Ultraschall, Stoßwellentherapie, TCM mit Akupunktur, Aufbiss-Schiene, Cortison-Injektionen. Niemand kann ihm sagen, woher die Ursache der Beschwerden kommt. Er hat früher ein sportlich-aktives Leben geführt, das ist jetzt nicht mehr möglich. Er kommt mit folgenden Diagnosen: Achillodynie mit Bursitis beidseitig, Tendinitis der Achillessehne, keine Insertionstendopathie am Calcaneus. (MRT, Magnetresonanztomografie)

Die Diagnostik in meiner Praxis

Zusammenschluss Oberkiefer Unterkiefer
Massive muskuläre Dysbalance bei Interkuspidation (Zusammenschluss der Oberkiefer- und Unterkieferzähne)

Klinische Untersuchung:

  • Die Osteopathische Untersuchung ergibt eine Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) links mit Beinlängendifferenz.
  • Durch den Vorbehandler angefertigte Bissschiene zeigt eine Verstärkung der Beinlängendifferenz auf 2,5 Zentimeter bei Interkuspidation (und ist damit unrichtig)
  • Urinuntersuchung nach Sander bestätigt latente Übersäuerung der Muskulatur mit Regulationsstarre.
  • Oberflächen-Elektromyographie (EMG) der Gesichtsmuskeln und Trapezius
  • Pedobarographie (dynamische Fußdruckmessung)

Therapeutische Werkzeuge bei Achillessehnenbeschwerden

Bei chronifizierenden schmerzhaften Prozessen des Bewegungsapparates findet sich in fast 90 Prozent eine CMD (Craniomandibuläre Dysfunktion). Aufgrund der Spannung der Muskel (Faszien)-Verkettung kommt es zur Tendinose auf der krankhaften Seite.

Osteopathie

Bei Beinlängendifferenz und der Diagnose einer CMD müssen sämtliche Läsionen von den Füssen zum Becken, Rippen, Wirbelsäule bis zum Kiefergelenk und HWS behandelt werden, inclusive der viszeralen Systeme. Dies gelingt nur durch Osteopathische Diagnostik und Therapie.

Matrix-Rhythmus-Therapie

Wegen der muskulären Dysfunktionen, Hartspann, Faszialen Dysfunktionen, Triggerpunkte und Myogelosen hat es sich bei mir eingebürgert großflächig eine gewebesynchronisierende Matrix-Rhythmus-Therapie2 als Basistherapie zur primären Wiedererlangung der Gewebeelastizität durchzuführen.

Ursachen dieser Art von Dysfunktionen sind Ver- und Entsorgungsprobleme auf zellulärer Ebene. Physiologische Prozesse werden pathologisch. Deshalb hilft uns die MaRhyThe (Matrix-Rhythmus-Therapie), die entgleisten Prozesse im 8 -12Hz Rhythmus zu reorganisieren, die Sauerstoffversorgung sowie die Logistik insgesamt zu optimieren und tiefenwirksam in den physiologischen Rhythmus zurückzuführen.

Blutegelbehandlung

Blutegel sind kleine Helfer bei unserer Tätigkeit. Der Therapeut bedarf hierfür selbstverständlich einer Ausbildung.

Im Sinne der Ausleitung ist natürlich eine Blutegelbehandlung in vielen Fällen sehr erfolgreich. Übrigens wurde sie in diesem Fall bereits alio loco (woanders) durchgeführt, doch da die anderen Gesichtspunkte keine Berücksichtigung fanden, nicht erfolgreich.

Aber nicht nur hier, auch bei Kniegelenksarthrosen oder bei undankbaren Fällen wie bei Rhizarthrosen ist diese Anwendung einen Versuch wert. Der Therapeut bedarf hierfür jedoch einer Ausbildung. Blutegel sind Helfer bei unserer Tätigkeit und entsprechend zu behandeln.

Aufbiss-Schiene

Eine Aufbiss-Schiene, wie sie bei meinem Patienten vorzufinden war, ist sinnvoll. Allerdings sollte eine Versorgung mit einer Biss-Schiene (meist Unterkiefer mit Eckzahnführung) erst erfolgen, wenn vorher eine therapeutische osteopathische Maßnahme mit Einstellung aller Läsionen erfolgte.

Bei mir wird beim Patienten nach Behandlung ein Registrat erstellt, das durch Myofasziale Diagnostik kontrolliert wird und somit auf jeden Fall genauestens stimmt. Damit können dann der Zahnarzt und Techniker arbeiten.

Im beschriebenen Fall wurde so vorgegangen. Dementsprechend hat mein Patient nach der oben angegebenen Behandlung eine Unterkieferschiene neu angefertigt bekommen.

Sensomotorische Einlagen

EMG Diagnostik
Die Pedobarographie zeigt einen eindeutigen Befund

Nachdem der Patient in diesem Sinne durchbehandelt war, wurde ihm das System der Sensomotorik und hier im Besonderen der Sensomotorischen Einlagen4 erklärt. Diese Einlagen, bestehen aus Druckpolstern, die in die Sohle eingelassen sind und dauerhaft stimulieren, also dauerhaft sensomotorische Reize auf die Fußmuskulatur inklusive dem Faszien Apparat wirken und von dort nach oben in das sensomotorische System aussenden. Das Besondere: sie werden individuell für jeden Patienten angefertigt, der Therapeut testet nach den Richtlinien der GHBF (Gesellschaft für Haltungs- und Bewegungsforschung).

Damit ist der Patient im gewissen Sinne in ein integratives sensomotorisches Paket eingeschnürt: durch die Schiene von Oben nach unten und umgekehrt durch die sensomotorischen Einlagen, inclusive der Behandlung des Stoffwechsels.

Kontrolle – Achillodynien wie weggeblasen

Bereits nach vier Wochen ist mein Patient schmerzfrei und hochzufrieden. „Herr Doktor das war der Bringer“, sagt er.

Nachgefragt und nachuntersucht wird in etwa vierteljährlichen Abständen: die Beschwerden sind immer noch wie weggeblasen. Aktuell belastet ihn eine Grippe, aber die wird schneller vorüber gehen als die monatelang anhaltenden Achillessehnenbeschwerden.

Fazit: Integrative Therapie Werkzeuge bei Achillessehnenbeschwerden

  1. Osteopathische Behandlung
  2. MaRhyThe Behandlung
  3. Blutegel Behandlung
  4. Aufbiss Schiene
  5. Sensomotorische Einlagen

Längerdauernde Beschwerdebilder sind immer multimodal anzugehen. Das Krankheitsbild Achillessehnenbeschwerden ist als Ganzes zu betrachten (Integrative Medizin).

Alle, vor allem chronische Krankheitsbilder sind von einer latenten Gewebsacidose und damit Regulationsstarre gekennzeichnet und auch hier hilft die Matrix-Rhythmus-Therapie!

Matrix-Rhythmus-Therapie Behandlung als Teil der integrativen Therapie
Grundsätzlich behandeln wir mit der Matrix-Rhythmus-Therapie zunächst paravertebral, also den gesamten Rücken am Grenzstrang entlang.

Weitere mögliche therapeutische Maßnahmen

Der Vollständigkeit halber möchte ich noch hinweisen, welche therapeutischen Maßnahmen noch bei Achillessehnenbeschwerden ergänzend zum Tragen kommen können.

Dabei sind einmal zum Beispiel Korrekturen von Fehlfunktionen in Fuß und Beinbereich zu nennen. Darunter versteht man die Detonisierung der häufig hypertonen Muskelkette mit Hamstrings, Triceps surae und Plantarmuskulatur.

Eine gute Ergänzung bei Achillessehnenbeschwerden ist auch die Akupunktur. Hier insbesondere Ni 3-Ni6, Bl59- Bl62, und YNSA Schädelpunkte.

Neuraltherapie oft mit unterstützenden homöopathischen Injektionen (z.B. Traumeel) bzw. Kombination mit Bicarbonat (eigene Erfahrung), weil bei all diesen Überlastungen entzündliche Vorgänge involviert sind. (Anmerkung für Therapeuten: bei Interesse der Zusammensetzung Anfrage beim Verfasser). Oder auch die Gabe von Hyaluronsäure.

Zur Therapie der Achillopathie wurden u.a. „Tendoloading“ und Injektionen z.B. mit plättchenreichem Plasma (PRP) aber auch die Injektion bei Peritendinitis mit entzündungsmodulierenden Wirkstoff-Kombination genannt (z. B. Traumeel) (Artikel in „Ärztliches Journal 7-2019 S.40, „Update zu Achillessehnenpathologien in der Sportorthopädie“)

Tendoloading: seit Jahren mit dem einfachen Titel: exzentrisches Training belegt. Hierzu verweise ich auf einen sehr interessanten Artikel7. Zusammenfassend berichten die Autoren, dass die exzentrische muskulotendinöse Belastung in den letzten zwei Jahrzehnten zur dominierenden konservativen Interventionsstrategie bei Achillessehnen- und Patellatendinopathien geworden ist. Dabei werden bei einer exzentrischen Belastung die Muskelkontraktionen isoliert und langsam verlängert.

Doch die exzentrische Belastung ist möglicherweise nicht bei allen von Tendinopathie betroffenen Patienten (Athleten und Nicht-Athleten) wirksam. Es ist möglich, dass exzentrische Arbeit bei Sportlern eine unzureichende Belastung für Muskeln und Sehnen darstellt.

Durchaus Erfolge zeigt hingegen die Plättchentherapie (PRP) und kann deshalb bei Achillessehnenbeschwerden angebracht sein: Entzündungshemmung, Schmerzlinderung, Knorpelschutz, usw. Diese Therapie8 wende ich auch in meiner Praxis an, weil diese auch einen entzündungshemmenden und stärker profilierenden Effekt hat.

Als therapeutische Maßnahmen bei Achillessehnenverletzungen fällt auch immer wieder der Begriff: Stoßwellentherapie. Da es sich bei chronischen Entzündungen immer auch um eine metabolische Azidose handelt, findet sich in der Literatur kein Hinweis, dass die Stoßwellentherapie hier angebracht wäre. Widersprüchlich wird über die Stoßwellentherapie geschrieben, dass sie einerseits geschädigtes Sehnengewebe reparieren und Entzündungen heilen soll, es aber andererseits nicht bei jedem Betroffenen wirkt und sich zudem der Therapieerfolg erst nach einigen Monaten und mehrmaligen Anwendungen einstellt. Schon aus letztem genanntem Grunde ist meines Erachtens die Matrix-Rhythmus-Therapie hier die beste Wahl, da sie wesentlich schneller wirkt, dabei gewebeschonend und schmerzfrei ist.

Literatur:

  1. Hartmut Heine, Lehrbuch der biologischen Medizin, Haug Verlag
  2. Ulrich G.Randoll, Das Matrix-Konzept, Verlag Systemische Medizin
  3. Andreas Michalsen, Manfred Roth, Blutegeltherapie, HaugVerlag
  4. MedReflexx GmbH, Hesseloherstraße 5, 80802 München
  5. Ridder,Paul Craniomandibuläre Dysfunktion, 3.Auflage, Elsevier
  6. Thomas W. Myers, Anatomy Trains, Urban&Fischer 2.Auflage
  7. Alfons Mascaróa, Miquel Àngel Cosb, Antoni Morralc, Andreu Roigb, Crai Purdamd, Jill Cook, DOI: 10.1016/j.apunts.2017.11.005, Full text access, Load management in tendinopathy: Clinical progression for Achilles and patellar tendinopathy, 2018
  8. Sanakin: Scientific BioTech GmbH sanakin.eu
Matrix-Health-Partner-Rupert-Lebmeier-Portrait-01

Autor: Dr. med. Rupert Lebmeier hat in Marburg und Homburg/Saar Medizin studiert und zahlreiche Zusatzqualifikationen und Diplome in den Bereichen Sportmedizin, Osteopathie, Ernährung und Naturheilverfahren und Homöopathie. Seit 1979 ist er niedergelassener Arzt. Nach 34jähriger Tätigkeit als Kassenarzt, davon 22 Jahre als Landarzt, führt er heute eine Privatpraxis für Integrative Medizin. Für Dr. Lebmeier ist Gesundheit ein Prozess. Funktionelle Erkrankungen können mit der Schulmedizin allein nicht behandelt werden, komplementäre Gebiete müssen erschlossen werden. Dem stellt er sich durch Aneignung von umfassendem Fachwissen, ständiger Bereitschaft dazuzulernen und zu forschen, immer mit dem Blick für wissenschaftliche Hintergründe. Lesen Sie auch den Fachartikel Matrix-Rhythmus-Therapie bei Regulationsstarre, Tic nerveux – Kombination Osteopathie und MaRhyThe, sowie Der schiefe Hals